Musik in vielen Facetten – Paolo Fresu

Coverbild von Jazztrompeter Paolo Fresu
Coverbild von Jazztrompeter Paolo Fresu auf der abgebildeten Zeischrift: Jean-Louis Neveu

Flügelhorn, Trompete, Effekte – Paolo Fresu nutzt gern eine Vielfalt von Gestaltungsmitteln für seine oft lyrisch-melodische Musik. Er ist seit Jahrzehnten einer von Italiens bekanntesten Jazzern. Wer Vergleiche ziehen möchte, könnte ihn den italienischen Till Brönner nennen. In seiner Karriere hat Fresu mit seinen Kompositionen und Ensembles zahlreiche Auszeichnungen eingeheimst. Um für die italienische Jazzszene etwas zu tun, hat er das Festival Time in Jazz auf Sardinien aufgebaut. Auf den Alben seines 2010 gestarteten Label Tuk Music sind inzwischen etwa 60 Musiker vertreten. Fresu selbst hat zuletzt ein Duo-Album mit Lars Danielsson veröffentlicht. Für dieses Jahr hat er noch viel vor, von Mittelalter-Musik aus dem „Laudario di Cortona“ über eine David Bowie-Hommage bis zu Bellinis Oper „Norma“. Immer wieder versucht der Künstler, gesellschaftlich ebenfalls etwas zu bewirken. Im von einem schweren Erdbeben beschädigten L’Aquila gründete er einen Musik-Marathon, 2018 besuchte er ein Flüchtlings-Rettungsschiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée.

Am Nachmittag vor einem Duo-Konzert mit dem Schweden Lars Danielsson sprach Paolo Fresu Ende März in München mit sonic.

sonic: Wie kam dein Duo mit Lars Danielsson zustande?

Paolo Fresu: Ich bin ein großer Fan seiner Musik. Er war bei meinem Festival „Time in Jazz“ in Sardinien, und bei zwei anderen Veranstaltungen in Süditalien, die ich musikalisch leitete. Ich habe ihn immer ins Programm gesetzt. Sein „Liberetto“-Projekt ist für mich derzeit eines der besten in Europa. Vor fünf Jahren hat er mich zu einem Sonderkonzert in der Philharmonie in Göteborg eingeladen, zusammen mit Streichern. Letztes Jahr rief er an und fragte, ob wir ein Duo-Album machen. Ich dachte ,Warum nicht, das ist fantastisch’. Im Mai waren wir im Studio und spielten das Album relativ schnell ein. Wir hatten drei Tage Zeit und waren einen Tag früher fertig. Jeder von uns hatte Stücke geschrieben, und wir wussten nicht genau, welche Musik das sein oder wie das passen würde. Aber unsere Vorstellungen waren gleich.

sonic: Hast du früher schon viel in Duos gespielt?

Paolo Fresu: Ich hatte viele Jahre ein Duo mit Bass und Trompete. Das war vor über zwanzig Jahren, mit dem italienischen Bassisten Furio di Castri. Diese Besetzung war allerdings sehr anders als die heutige. Ich habe derzeit noch viele andere, aktuelle Duo-Projekte, zum Beispiel mit Ralph Towner und mit Uri Caine. Das Duo mit Trompete und Bass ist aber wirklich originell. Es gibt kein Harmonieinstrument, so kann man überall hingehen. Wir haben viel Platz. Die Stille ist in dieser Musik eine Herausforderung.

sonic: Stille ist ebenfalls ein Teil der Musik.

Paolo Fresu: Absolut, die Stille ist das Wichtigste. Dann spielt man einige Noten zwischen der Stille. Das sind einfache Melodien, traditionelle schwedische Lieder, sardinische Einflüsse, oder argentinische Songs. Wir können einige wenige Noten dieser Melodie spielen, viel mehr brauchen wir nicht.

sonic: Aus den Titeln der Stücke, die du für das Album komponiert hast, könnte man schließen, dass es relativ viele Einflüsse aus Sardinien gibt?

Paolo Fresu: Das ist eine Art Witz. Vor zwei Jahren im November gab es im italienischen Parlament eine heftige Diskussion um die Staatsbürgerschaft für Immigranten. Kinder von Eltern, die seit vielen Jahren in Italien lebten, sollten diese bekommen. Ich habe selbst zwei Kinder. Mein Sohn ist elf, die Hälfte der Kinder in seiner Schule ist aus Nordafrika, Indien, Pakistan oder Syrien. Ich entschied, einen Tag nicht zu essen oder zu trinken, um die Initiative der Linken im Parlament zu unterstützen. Davon stellte ich ein Foto auf meinen Facebook-Account. Am nächsten Tag hatte ich tausende von Nachrichten bekommen. Es waren tolle Nachrichten dabei, allerdings auch solche von Hatern, ziemlich schlimme. Ich beschloss, eine Top List der besten Beleidigungen zu machen. Darüber wurde in allen italienischen Zeitungen und im Fernsehen berichtet. Das war eine fantastische Antwort an die Faschisten. Nach zwei Wochen wählte ich die besten drei Beleidigungen. Der erste Platz war ,F*** Y**, du bist kein Dardinier!’ Es war falsch, es hieß nicht ,Sardinier’ mit S, sondern ,Dardinier’ mit D. Das war natürlich lustig. Deswegen gibt es auf dem Album vier Titel dazu, etwa ,April in Dardegna’ oder ,Saluto dardamente’. Bei der grafischen Bearbeitung für das Album riefen mich jeden Morgen die Leute aus dem Grafikbüro in Deutschland an, und fragten: ,Paolo, bist du sicher, dass es im Titel Dardegna heißt, nicht Sardegna?’ Ich sagte: ,Ja, das erkläre ich euch irgendwann noch.’ Auf meine politische Haltung bin ich sehr stolz. Ich bin einer der wenigen Jazzer in Italien, die jeder kennt. Manchmal ist es wichtig, sich gesellschaftlich einzubringen.

sonic: Du kannst mit deiner Bekanntheit etwas erreichen.

Paolo Fresu: Absolut, das ist sehr wichtig. Ich lebe in Italien, in dieser Gesellschaft. Viele Künstler sind sehr zurückhaltend. Sie denken, es gebe sonst ein Risiko für ihren Beruf.

sonic: Du machst dir keine Gedanken über so etwas.

Paolo Fresu: Nein. Jemand schrieb mir auf Facebook: ,Jetzt höre ich deine Musik nicht mehr und kaufe deine Alben nicht mehr.’ Ich schrieb ihm: ,Wenn du ein Album von mir hast, gib es mir zurück, ich überweise dir das Geld.’

sonic: Hat er das getan?

Paolo Fresu: Nein, natürlich nicht. Die Hater sind nur hinter ihrem Bildschirm. Wenn man direkt mit den Leuten redet, sagen sie nichts.

sonic: Italien ist schon geografisch in einer besonderen Position, wenn es um Migration geht.

Paolo Fresu: Absolut, wir sind die Brücke zwischen Afrika und Europa.

(…)

Das vollständige Interview ist erschienen in sonic 3/2019.

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