„Jede Musik kann schwierig sein“ – Seong-Jin Cho

Fotos im abgebildeten Artikel: Christoph Köstlin

Eine sensible Interpretation von Debussys „Suite bergamasque“, eine virtuose Darbietung von Ravels „Gaspard de la nuit“ oder ein kontrastreiches Chopin-Scherzo: Seong-Jin Cho weiß dem Konzertflügel als Solist Beachtliches zu entlocken. Abgesehen von seinen Recitals arbeitet er auch gern und oft mit Orchestern, um Klavierkonzerte etwa aus der Wiener Klassik oder der Romantik zu präsentieren. Die Berliner und Münchner Philharmoniker, das Orchestre de Paris und das London Symphony Orchestra waren bereits dabei, neben zahlreichen anderen. Bereits in jungen Jahren überaus erfolgreich, machte der Künstler besonders beim Chopin-Wettbewerb in Warschau auf sich aufmerksam, wo er sich 2015 als 21-jähriger den ersten Platz erspielte. Im selben Jahr schloss er seine Studien am Konservatorium in Paris ab. Seitdem hat er mehrere Einspielungen bei der Deutschen Grammophon veröffentlicht und zahlreiche internationale Konzerte gespielt. Im Interview spricht er über das Finden seines Repertoires, den Kulturstillstand wegen der Covid-Lockdowns, das Arbeiten mit Orchestern und die Vorfreude auf seine erste Welturaufführung – mit einem Klavierkonzert von Thierry Escaich.

Im Prinzregententheater, einem der stilvollsten Konzertsäle Münchens, ein Solo-Recital an einem Steinway D-Flügel zu spielen, ist wohl für jeden Klavierkünstler eine willkommene Aufgabe. Der südkoreanische Musiker Seong-Jin Cho durfte sich dort im November nach einem gelungenen Auftritt im Rahmen seiner Tour über regelrechte Begeisterungsstürme freuen. Am Tag darauf nimmt er sich vor seiner Abreise in seine langjährige Wahlheimat Berlin Zeit für ein Interview.

Pianonews: Gestern beim Konzert haben Sie unmittelbar vor dem Spielen mit der Hand einmal über die gesamte Klaviatur des Flügels gestrichen. Was hat es mit dieser Geste auf sich?

Seong-Jin Cho: Ich mache nur die Klaviatur sauber mit einem Taschentuch.

Pianonews: Tatsächlich? Machen Sie das immer?

Seong-Jin Cho: Ja, meine Hände sind gelegentlich ein wenig verschwitzt, deswegen ist es so besser.

Pianonews: Ein solches Recital, allein am Flügel, ist eine besondere Situation und sicher sehr anders als ein Auftritt mit Orchester.

Seong-Jin Cho: Auf eine Art bietet ein Recital größere Freiheiten. Mit einem Orchester aufzutreten bedeutet, wir tauschen Ideen aus, legen etwas fest und dann spielen wir das. Beim Recital kann ich spontaner agieren.

Pianonews: Suchen Sie das Repertoire selbst aus, das Sie interpretieren?

Seong-Jin Cho: Für Recitals wähle ich das selbst aus. Bei Konzerten mit Orchestern bespreche ich es mit dem Orchester.

Pianonews: Wie ist das mit dem derzeitigen Recital-Repertoire von Janáček, Ravel und Chopin. Warum kombinieren Sie diese Stücke?

Seong-Jin Cho: Janáček ist überaus romantisch, und seine erste Klaviersonate hat eine sehr tragische Geschichte. „Gaspard de la nuit“ von Ravel ist mehr eine Fantasie, ein Gedicht. Es hat eine Geschichte in der Musik, ist aber ganz verschieden von Janáček. Die Chopin-Scherzi habe ich auf meinem letzten Album eingespielt, und sie eignen sich gut, um ein Recital abzuschließen. 

Pianonews: Vor einigen Jahren haben Sie zusammen mit Chopins erstem Klavierkonzert seine Ballades aufgezeichnet, dieses Jahr mit dem zweiten Klavierkonzert die Scherzi. Sehen Sie sie als unterschiedlich schwierig an?

Seong-Jin Cho: Jede Musik kann schwierig zu interpretieren sein, auch eine einfache Nocturne. Für mich zählen die Scherzi und Balladen zu den substanziellsten Musikstücken von Chopin – mit Ausnahme der Sonaten. Chopin hat eine Menge Mazurkas geschrieben, Nocturnes, Walzer, Etüden, aber nicht so viele größere Stücke. Deswegen wollte ich diese Aufnahmen machen mit den Balladen und Scherzi.

Pianonews: Die beiden Klavierkonzerte sind anspruchsvolles Repertoire für Solist und Orchester.

Seong-Jin Cho: Sie sind interessant, weil Chopin gar nicht so viel für Orchester komponiert hat. Er hat diese beiden Klavierkonzerte geschrieben, als er erst 20 Jahre alt war, also wesentlich jünger als ich. Das ist außergewöhnlich, er war ein Genie. Da frage ich mich manchmal: „Was habe ich gemacht, als ich 20 Jahre alt war?“ Ich liebe diese Werke. Ich spiele nur Musik ein, die ich mag.

Pianonews: Es finden sich zahlreiche romantische und impressionistische Werke in Ihrem Repertoire, etwa von Chopin, Schumann, Schubert, Ravel, Debussy und weiteren Komponisten dieser Zeit. Gibt es für Sie eine besondere Nähe zu diesen Werken?

Seong-Jin Cho: Als ich klein war, in Südkorea, lernte ich bei einer Lehrerin, die selbst in Wien studiert hatte. Sie kannte sich gut aus mit dem Repertoire von dort, mit Mozart, Schubert und Beethoven. Ich lernte eine Menge dieser Kompositionen. Dann ging ich zum Studieren nach Paris, wo ich mehr französisches Repertoire kennenlernen konnte. Chopin war immer mit dabei. Es war für mich also natürlich, eng mit der romantischen und impressionistischen Musik verbunden zu sein, aber auch mit der Musik der Wiener Schule. Ich spiele seit zwanzig Jahren und in der Zukunft würde ich jetzt gern Barockmusik genauer erkunden.

(…)

Das vollständige Interview ist in der Klavierzeitschrift PianoNews 2/2022 (März-April) erschienen.

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